Kardiologie – Junge Zellen

Körperliches Training hat viele positive Effekte im Herz- Kreislaufsystem, führt zu einer besseren Leistungsfähigkeit sowie günstigen Wirkungen auf den Stoffwechsel und nicht zuletzt auf die Psyche. Körperliche Aktivität ist auch mit einer Verminderung kardiovaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung und ischämischer Kardiomyopathie verbunden. Ferner kann Training die funktionellen Folgen des Alterns auf das Herz reduzieren.

Körperliche Inaktivität führt dahingegen nachgewiesenermaßen zu einer erhöhten Morbidität. Die den positiven Effekten von Sport zu Grunde liegenden molekularen Mechanismen sind bislang qnur teilweise erforscht.

Das Alter ist der Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Alterung auf der Ebene einzelner Zellen unseres Körpers bedeutet Funktionsverlust, Wachstumsstopp oder Zelltod. Neben dem Einfluss von Sauerstoffradikalen ist die zelluläre Seneszenz eng an die so genannten „Telomere“ gekoppelt. Diese stellen einen Schutz der Erbinformation dar und befinden sich wie eine Kappe an den Enden der Chromosomen. Die Länge der Telomere nimmt in unseren Zellen mit dem Alter ab und bei Unterschreitung einer gewissen Mindestlänge teilen sich die Zellen nicht mehr oder sterben ab. Telomerregulierende Faktoren spielen eine zentrale Rolle für die Steuerung der Zellalterung.

Entscheidende Bedeutung kommt hier dem Enzym Telomerase zu, das die Eigenschaft besitzt, verlorene Telomerstücke wieder zu regenerieren. Darüber hinaus wirken noch viele andere Proteine schützend. Für ihre Grundlagenforschung über Telomere, Telomerase und zelluläre Alterungsvorgänge wurden im letzten Jahr Prof. Elisabeth Blackburn und Kollegen (San Francisco, Baltimore und Boston, USA) mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet, was die große Bedeutung des Themas „Alter und Telomere“ unterstreicht.

Forschungsergebnisse: Anti-Aging-Effekt von Sport im Gefäßsystem

Unsere klinisch-experimentelle Studie untersuchte den Zusammenhang von körperlicher Aktivität, Telomeren und Telomerregulierenden Faktoren im Gefäßsystem und in zirkulierenden Blutzellen.

Im ersten Teil des Projekts wurden die Auswirkungen von freiwilligem Laufradtraining auf die Telomere in Mäusen erforscht. Hier steigerte dreiwöchiges Laufradtraining in der Hauptschlagader (Aorta) im Vergleich zu inaktiven Kontrolltieren die Telomeraseaktivität. Gleichzeitig wurden weniger Hemmstoffe des Zellwachstums gebildet. Um die physiologische Relevanz der Befunde im Krankheitsmodell zu prüfen, wurden sitzende Tiere und Mäuse, die durch dreiwöchiges Lauftraining „vorbehandelt“ waren, mit Lipopolysaccharid behandelt.

Diese Substanz stammt aus der Wand bestimmter Bakterien und bewirkt über die Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen und Sauerstoffradikalen den Untergang von Gefäßzellen. Dieses Absterben von Gefäßzellen war in den Laufmäusen signifikant reduziert. Diese Ergebnisse zeigen erstmals einen direkten Zusammenhang der Gefäßfunktion mit der Telomerbiologie.

Im klinischen Teil unserer Studie erforschten wir den Zusammenhang von Telomerbiologie und Ausdauersport im Menschen. In einer wissenschaftlichen Kooperation mit der Sporthochschule der Universität des Saarlandes wurden insgesamt 104 junge Mittel- und Langstreckenläufer (Kaderathleten des Deutschen Leichtathletikverbandes, mittleres Alter 20 Jahre, durchschnittliche Laufdistanz 73 km/Woche) und ältere Ausdauersportler (mittleres Alter 51 Jahre, durchschnittliche Laufdistanz 80 km/ Woche, Ausdauertraining seit ca. 35 Jahren) und von Alter und Geschlecht her passende, unsportliche Kontrollpersonen mit weniger als einer Stunde körperlicher Aktivität pro Woche im letzten Jahr untersucht.

Als Untersuchungsmaterial wurden die mononukleären Zellen (MNC, eine Untergruppe der Leukozyten) aus dem Blut frisch isoliert. Diese Zellen spiegeln Alterungsprozesse in der Gefäßwand wider, denn verkürzte Leukozyten-Telomere wurden in jüngerer Zeit mit der Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen in Verbindung gebracht. Unsere Experimente zeigten eine Hochregulation Telomerstabilisierender Proteine bereits bei den jungen, vor allem aber bei den älteren Athleten.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass sowohl bei den jüngeren als auch in den älteren Sportlern, die Telomerase, also das Enzym, das die Telomere verlängern kann, eine deutlich höhere Aktivität aufweist. Die Telomerlänge selbst ist der entscheidende Parameter in der Telomerbiologie und ein Marker für Zellalterung. Direkte Untersuchungen des Erbgutes der Leukozyten ergaben, dass die Telomere in den älteren Kontrollen wie erwartet verkürzt sind, während sie bei den älteren Ausdauersportlern nur wenig verkürzt sind. Durch das langjährige, regelmäßige Ausdauertraining, wahrscheinlich zusammen mit der damit verbundenen gesünderen Lebensweise, wurde die Telomerlänge in den zirkulierenden Blutzellen sozusagen „konserviert“. Diese Arbeit wurde vor Kurzem zur Veröffentlichung in der international renommierten Fachzeitschrift „Circulation“ angenommen.

Zusammenfassung und Fazit

Die vorgelegten Ergebnisse der Studie an jungen und älteren Athleten und Kontrollpersonen ohne sportliche Aktivität belegen erstmals einen langfristigen, positiven Effekt von Ausdauertraining auf die zelluläre Alterung im Gefäßsystem. Hervorzuheben ist, dass sich bereits bei jungen Athleten positive Auswirkungen auf Alterungsprozesse zeigen, besonders aber bei älteren Sportlern.

Die Befunde sind von großer Bedeutung für die Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauferkrankungen durch körperliches Training und tragen zur Entschlüsselung der molekularen Mechanismen von Sport bei. Geplant sind auf dieser Grundlage weitere Studien, die die Auswirkungen von Sport auf Telomere, telomerregulierende Faktoren und Alterungsvorgänge im Menschen weiter vertiefen werden. So sollen die Effekte von Freizeitsport, verschiedener Trainingsformen (z.B. Lauftraining vs. Krafttraining), sportlicher Aktivität im Alter und die „Dosiswirkungskurve“ von Sport erforscht werden. Unsere Forschungsarbeit wird von der Deutschen Stiftung für Herzforschung, dem Universitätsklinikum des Saarlandes und der Universität des Saarlandes gefördert.

Autor: Dr. med. Christian Werner, Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg-Saar

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