Triathlon – Interview mit Kai Hundertmarck

Als ehemaliger erfolgreicher Radprofi ist Kai Hundertmarck im ­Triathlon ­unumstrittener Favorit auf der Radstrecke. Seine weiteren sportlichen Höchstleistungen beim Schwimmen, Laufen, Surfen, Snow­boarden, Squash und Tennis reflektieren sein enormes Leistungsspektrum – und bieten ­optimale Voraussetzungen für einen ­Weltklasse-Triathleten.

Kai, die meisten Leute kennen Sie noch aus Ihrer aktiven Zeit als Rennradprofi. 2003 haben Sie diese Karriere an den Nagel gehängt und sind zum Triathlon gewechselt, was hat diese Entscheidung beeinflusst?

Obwohl ich während der Saison 2003 mehrere Erfolge in ­internationalen Radrennen wie z.?B. der Sieg beim GP ­Nürnberg und der Hessenrundfahrt feiern konnte, wurde mein Vertrag vom Team Telekom nicht verlängert, da sich das Team aus Marketing-technischer Sicht mit ausländischen Fahrern verstärken wollte.
Für mich standen zwei Alternativen, in ein ausländisches Team oder in ein kleineres Team in Deutschland zu wechseln, zur Debatte. Mit beiden konnte ich mich jedoch nicht anfreunden, da ich immer in Weltklasse-Teams gefahren bin.
Da ich generell nach dem Motto „ganz oder gar nicht“ entscheide, beendete ich meine Karriere als Radprofi.
Erst auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, ­begann ich mich für den Mythos Ironman Hawaii zu interessieren. Ich fand relativ schnell kompetente Sponsoren wie die Deutsche Bank, die es mir ermöglichten, auch in dieser neuen Sportart für mich, professionell durchzustarten.

Da Sie beide Sportarten kennen, stellt sich die Frage, ­welches Training Sie als anstrengender empfinden oder ist dieser Vergleich banal?

Nein, es ist ganz klar das Training für den Ironman. Als Radprofi hat man fast 110 Wettkämpfe im Jahr bestritten, bei denen man gleichzeitig seine Form aufbaute und steigerte.Im Triathlon konzentriert man sich auf zwei oder drei Ironman Wettkämpfe im Jahr und baut seine komplette ­Kondition während des Training auf, das sich zum Teil über den ganzen Tag erstreckt. Eine 40 Stunden Trainingswoche ist in der unmittelbaren Vorbereitung auf einen Ironman keine Seltenheit.

Wenn Sie auf die Zeit als aktiver Rennradfahrer zurückblicken, was vermissen Sie und was nicht?

Am meisten vermisse ich die Kameradschaft im Team ­Telekom. Als Triathlet ist man im Gegensatz zum Radsport eher der Einzel­kämpfer. Der Vorteil beim Ironman ist, dass man seine eigenen Ambitionen nicht dem Team unterordnen muss, ­sondern im wahrsten Sinne des Wortes seines eigenen ­Glückes Schmied ist.

Bringt Ihnen die aktive Zeit als Rennradprofi Vorteile im Triathlon, speziell beim Abschnitt Rad fahren?

Ganz klar liegt hier meine Stärke. Aber auch durch die vielen Jahre als Radprofi habe ich mir ein enormes Ausdauerniveau erarbeitet, das ich auch in den beiden anderen Disziplinen nutzen kann. Aber auch mental hat mir die Zeit als Radprofi eine Menge gebracht, was ich jetzt auch im Triathlon ein­setzen kann.

Welcher der drei Abschnitte (Schwimmen, Radfahren, Laufen) ist für Sie der schwierigste und warum?

Das Schwimmen ist immer wieder ein Kampf ums Überleben für mich! Na ja nicht ganz, aber es war sehr schwierig mit 35 Jahren eine technisch schwierige Sportart wie das Schwimmen zu erlernen.

2006 haben Sie sich vor dem Ironman Germany in Frankfurt eine sogenannte Stressfraktur zugezogen, deren Abheilung bis kurz vor dem Start dauerte und Sie sichtbar während des Wettkampftages beeinflusste. Wie haben Sie sich in der verletzungsbedingten Trainingspause fit ­gehalten und wie motiviert man sich bei solchen Problemen – gerade auch im Wettkampf?

Trainingstechnisch die größten Probleme hatte ich beim ­Laufen im Vorfeld. Hier musste ich auf Aquajogging umsteigen, um ohne die Stoßbelastungen die laufspezifische ­Muskulatur aufrecht zu erhalten.Beim Radfahren hielten sich die Schmerzen im Rahmen, ­sodass ich über das Radfahren meine Kondition aufbauen konnte. Die größte Belastung war allerdings der psychische Aspekt, da ich neben den 6?–8 Stunden, die ich am Tag für Physiotherapie verwendete, auch noch versuchte mein ­Training einigermaßen durchzuziehen. An Therapie wurde alles aus­geschöpft, um die Heilung zu ­beschleunigen.
Dazu zählte ­Massage, Lymphdrainage, Magnet­feldtherapie, Akupunktur, Hypothrophie.

Was sind die Ursachen solcher Stressfrakturen und wie lassen sich diese im Training ­verhindern?

In den letzten drei Jahren, seitdem ich Triathlon betreibe, habe ich Verletzungen des Bewegungsapparates, die ich vorher als Radprofi gar nicht kannte. Ich denke es liegt daran, dass ich vorher nie gelaufen bin und nun auf einem sehr hohen Leistungsniveau einsteige – durch meine kardio­logischen Vorraussetzungen, die ich besitze. Beim Laufen ist es jedes Mal für mich eine Gratwanderung zwischen Toplaufleistung und Verletzung.
Ich zog mir die Stressfraktur beim Intervalltraining auf der Bahn durch die Kurvenbelastung zu. Was ich hieraus lernte ist, meine Intervalle in Zukunft auf gerader Strecke im Wald zu laufen, um die Belastungen des Bewegungsapparat so gering wie möglich zu halten!

Jetzt in der Winterzeit, wie sieht Ihr Training und Tagesablauf aus? Gibt es mehr Zeit zur Erholung und welche ­regenerativen Maßnahmen bevorzugen Sie?

Ich habe meine Saison Ende Oktober beendet und verwende nun den November zur Regeneration und Erholung. Hier ist nur ganz easy Erhaltungstraining angesagt. Dazu zählen ­lockere Waldläufe und Schwimmen, aber auch Sportarten zum Ausgleich wie Squash, Badminton und andere Ballsportarten. Der Spaß steht im Vordergrund.
Ab Dezember geht es wieder konzentrierter ans Training mit Schwerpunkt Schwimmen, Laufen und Skilanglauf. ­Witterungsbedingt rutscht das Radfahren eher in den Hintergrund. Im Januar geht es dann nach Australien und hier wird dann auch das Radtraining wieder angezogen.

Eine ergreifende Situation war der gemeinsame Ziel­einlauf mit Ihrer kleinen Tochter beim Zieleinlauf in Frankfurt 2006. Wie wichtig sind Ihnen solche Momente?

Sehr, denn meine Familie muss oft zurückstecken, da ich meinem Beruf – dem Sport – eine hohe Priorität gebe. Es ist mir dann wichtig, sie im Moment des Erfolgs bei mir zu ­haben, um dies dann gemeinsam genießen zu können.

Was können wir 2007 von Kai erwarten, was sind Ihre Ziele?

Auch 2007 versuche ich wieder ein Top-Rennen in Frankfurt abzuliefern. Es ist immer besonders motivierend für mich, vor meinem Heimatpublikum Leistung zu bringen. Wenn meine Knochen halten, wäre eine Top-Ten-Platzierung beim ­Ironman Germany mein Ziel. Zudem hoffe ich im nächsten Jahr ­wieder in Hawaii an den Start zu gehen.

Wir wünschen Ihnen 2007 eine erfolgreiche Saison …wir werden Sie beobachten.

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