Linksventrikuläre Hypertrophie – Kriterien und Konsequenzen

Intensives körperliches Training hat auch kardiale Veränderungen zur Folge – es resultiert eine Vermehrung der Herzmuskelmasse. Bei Kraftsportarten steht eine Zunahme der linksventrikulären Wanddicke (= linksventrikuläre Hypertrophie), bei Ausdauersportarten eine Vergrößerung der linken Kammer im Vordergrund.

Als oberer Grenzwert für die bei Athleten als physiologisch zu betrachtende Wanddickenzunahme wird 13 mm (13 – 15 mm, gemessen enddiastolisch) angesehen. Bei Frauen ist die Hypertrophieneigung geringer ausgeprägt (bis ca. 11 mm). Werte, die darüber liegen, müssen abgeklärt werden. Differentialdiagnostisch kommen in erster Linie eine arterielle Hypertonie oder eine hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) in Frage. Insbesondere die HCM darf nicht übersehen werden – sie ist durch eine der häufigsten Ursachen für plötzliche Todesfälle bei jungen Leistungssportlern.

Arterielle Hypertonie bei Sportlern

Von einer arteriellen Hypertonie wird bei Blutdruckwerten von > 140 mmHg systolisch und > diastolisch in Ruhe gesprochen. Eine arterielle Hypertonie ist bei Sportler halb so häufig wie in der generellen Bevölkerung. Sie muss gegenüber eine „Weißkittel-Hypertonie“ abgegrenzt werden. Ideal ist eine Diagnostik anhand einer 24-Std. Langzeit-Blutdruckmessung. Echokardiographisch findet sich zusätzlich zur Wandverdickung eine diastolische Dysfunktion. In den meisten Fällen ist die arterielle Hypertonie essentiell. Eine sekundäre Hypertonie, die auch durch die Einnahme von Kokain, Stimulanzien oder nicht-steroidalen Antiphlogistika bedingt sein kann, sollte als Ursache der Hypertonie immer ausgeschlossen werden

Hypertrophe Kardiomyopathie

Die HCM ist eine relativ häufige, genetisch-bedingte, primäre Herzmuskelerkrankung, die durch eine meist asymmetrische Septumhypertrophie mit oder ohne linksventrikuläre Ausflussbahnobstruktion charakterisiert ist. Diagnostisch steht die Echokardiographie im Vordergrund. Die Hypertrophie findet sich überwiegend spetal. Die Diagnosestellung ist insbesondere bei Sportlern eine Herausforderung, da sich keinesfalls immer massive Wandverdickungen (bis hin zu über 3 cm) finden. Die Familienanamnese sollte sorgfältig erhoben werden.

In Zweifelsfällen gilt es, direkte Angehörige mit in die Abklärung einzubeziehen. Ein Teil der Patienten mit HCM kann heute mittels genetischer Untersuchung identifiziert werden. Eine Aortenstenose muss echokardiographisch ausgeschlossen werden. Problematisch ist bei der HCM, dass maligne ventrikuläre Herzrhythmusstörungen und plötzliche Todesfälle Erstmanifestation der Erkrankung sein können. Die HCM ist eine der häufigsten Ursachen für plötzliche Todesfälle bei Sportlern. Sportler, die plötzlich verstorben sind und bei denen im Nachhinein eine HCM festgestellt wurde sind u. a. die Basketballspieler Reggie Lewis und Hank Gathers.

Behandlung und Konsequenzen für den sportlichen Alltag

Therapeutisch steht bei der Behandlung der arteriellen Hypertonie eine medikamentöse Blutdruckeinstellung im Vordergrund (ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker, ggf. zusätzlich ein Calcium-Antagonist oder Diuretikum). Die Bedeutung von Beta-Blockern als Antihypertensivum wird bei fehlender kardialer Ko-Morbidität (KHK, Herzinsuffizienz) überschätzt. Beta-Blocker werden von Sportlern oft schlecht vertragen und interferieren mit der körperlichen Leistungsfähigkeit. Patienten mit HCM erhalten einen Beta-Blocker; ganz wesentlich ist die Risikostratifizierung hinsichtlich maligner ventrikulärer Arrhythmien. Als Marker für ein erhöhtes Risiko gelten ein durchgemachter Herzstillstand bzw.

Kammerflimmern, nicht-anhaltende und anhaltende Kammertachykardien, plötzliche Todesfälle in der Familie, ungeklärte Synkopen, eine abnorme Blutdruckreaktion unter Belastung und eine Septumdicke von > 3 cm. Bei einem überlebten Herzstillstand oder dokumentierten anhaltenden malignen Arrhythmien ergibt sich eine eindeutige Indikation zur Implantation eines Kardioverters/Defibrillators. In allen anderen Fällen sollte ein spezialisierter Kardiologe mit in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Fazit

Die Diagnose HCM bedeutet Verzicht auf Leistungs-, Kraft- oder Wettkampfsport. Gegen Ausdauersport im aeroben Bereich besteht meistens kein Einwand. Problematisch ist die Entscheidungsfindung bezüglich des Vorgehens, wenn die Erkrankung erst im Verlauf einer sportlichen Kariere diagnostiziert wird. Gerald Asamoah, der ebenfalls eine HCM hat, wurde zur Auflage gemacht, dass bei Fußballspielen immer ein Defibrillator am Spielfeldrand stehen muss.

Autoren: Prof.Dr. Wilhelm Haverkamp, Dr. med. Ines Iacovella

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