Sturzverletzungen des Handgelenkes

Fast in jedem Sport kommt die Situation vor, dass man sich unbewusst oder unkontrolliert mit der Hand beim Fallen abstützt oder auf die ausgestreckte Hand stürzt. Glücklicherweise gehen die meisten dieser Stürze bzw. Manöver harmlos aus, nicht selten ohne schmerzhafte Folgen. Dabei birgt gerade dieser Verletzungsmechanismus große Gefahren, die unerkannt und unbehandelt langfristig zu schwersten Folgeschäden führen können.

Verletzungsmechanismus

Bei dem Sturz auf die ausgestreckte Hand kann es zu mehreren Verletzungsmustern im Bereich der Handwurzel kommen. Neben den Bandrupturen, hier vor allem der S–L Ruptur zwischen Scaphoid und Lunatum, und Lunatum und Triquetrum, kann es durch die Hyperextension des Handgelenkes zu Radius- und Scaphoidfrakturen kommen.

Diagnostik

Die oben genannten Verletzungsmuster wie Bandläsionen bzw. Kahnbeinfrakturen werden in vielen Fällen in der Akutphase als Prellungbzw. Verstauchung gedeutet. Im orthopädischen Bereich ist das Bewusstsein, dass hinter einem solchem Verletzungsmechanismus eine unerkannte schwere Verletzung stecken kann, noch nicht allgemein verbreitet. Dies liegt unter anderem daran, dass selbst instabile Kahnbeinfrakturen nach wenigen Tagen weitgehend schmerzfrei sein können und so die Schwere der Verletzung nicht mit einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik bzw. signifikanter Funktionseinschränkung korreliert ist.

Deshalb muss bei dem beschriebenen Pathomechanismus immer an die möglichen Verletzungen gedacht, und eine stufenweise Diagnostik eingeleitet werden. Am Anfang steht die klinische Untersuchung. Schmerzen im Bereich der Tabatière können auf eine Kahnbeinverletzung bzw. Bandruptur hinweisen. Druckschmerzen über dem Mondbein bzw. über der ulnodorsalen Region können beweisend für eine LT-Läsion bzw. für eine Verletzung des Discus triangularis (TFCC) sein. Nach der klinischen Untersuchung, die erste Anhaltspunkte ergibt, erfolgt die konventionelle Röntgenaufnahme. Hierbei muss allerdings darauf geachtet werden, dass die seitliche Aufnahme wirklich streng seitlich durchgeführt wird, da an der Winkelstellung der Handwurzelknochen zueinander eine mögliche Bandverletzung abgelesen werden kann. Besteht der Verdacht auf eine Läsion des SL-Bandes, so ist eine Aufnahme mit 20° ulnar angehoben (Monheim) oder eine sog. „Clenched Pencil“-Aufnahme anzufertigen. Hierbei ergibt sich eine Projektionsebene, die einen orthograden Blick auf das Handwurzelgefüge erlaubt. Eine Unterbrechung der sog. Gilula-Linien ist ebenfalls hinweisend auf eine Fraktur bzw. Bandverletzung im Bereich der Handwurzel. Bei Frakturverdacht muss ein CT angefertigt werden.

Die Diagnose der Kahnbeinfraktur wird häufig deshalb übersehen, weil konventionelle Bilder falsch gedeutet werden. Hier ist ein CT auch nach den Richtlinien der BG unumgänglich. Eine Kernspindiagnostik kommt dann infrage, wenn der Verdacht auf eine Bandläsion bzw. auf Läsion des Discus triangularis besteht. Hierbei muss beachtet werden, dass nur entsprechend hoch auflösende Geräte eine diagnostische Arthroskopie ersetzen. Diese wiederum ist dann auch heute noch indiziert, wenn die Kernspinaufnahme keine klaren Indizien liefert und z. B. bei Diskusverletzungen auch therapeutische Maßnahmen angeschlossen werden können.

Therapie

Die Therapie richtet sich selbstverständlich nach der Diagnostik der Verletzung. Bei Frakturen im Bereich der Handwurzel wird heute gerade bei Sportlern die operative Versorgung angestrebt. Führt die einwirkende Gewalt zur Radiusfraktur, so ist diese in der Regel nicht zu verkennen und das Risiko besteht eher darin, dass bei der diagnostizierten Radiusfraktur die falsche Behandlung eingeleitet wird. Gerade Sportlern sollten hier durch eine stabile Osteosynthese eine schnelle Rückkehr in den Sport ermöglicht werden.

Dies gilt auch in besonderem Maße für die Scaphoidfraktur. Auch hier sind die Sportler mit einer stabilen Osteosynthese des Kahnbeins in sehr vielen Fällen innerhalb kürzester Zeit wieder einsatzfähig. Eine weitere Indikation zur operativen Versorgung bildet die Fraktur des Hamulus ossus hamatus. Dagegen werden Flake-Fractures oder andere Frakturen des Handgelenkes in der Regel konservativ versorgt. Bandverletzungen, die akut diagnostiziert werden, werden operativ versorgt. Es hat sich gezeigt, dass die perkutane Kirschnerdraht-Osteosynthese bei der S-L Ruptur keine stabile Heilung der scapholunären Bandverletzungen ermöglicht.

Nach der offenen Rekonstruktion der Bandstrukturen erfolgt aber dann eine bis zu 10-wöchige Ruhigstellung des Handgelenkes, auch unter perkutaner Kirschnerdrahtstabilisierung, um ein stabiles Ausheilen der Verletzung zu ermöglichen. Bei Verdacht auf Verletzung des Discus triangularis wird heute eine kombinierte diagnostische Arthroskopie durchgeführt, bei der entweder, abhängig vom Verletzungstyp, eine Rekonstruktion des Diskus durch Naht durchgeführt wird oder ein Debridement von verletzten Diskusanteilen erfolgt.

Fazit

Bei entsprechender früher Diagnostik und Therapie sind die meisten Handwurzelverletzungen gut behandelbar und ermöglichen eine Rückkehr in den Sport ohne signifikante Funktions- und Leistungseinschränkung.

Allerdings muss das Bewusstsein geschaffen und geschärft werden, dass hinter vermeintlich harmlosen Verletzungen, gerade im Bereich des Handgelenkes, schwer wiegende Befunde stecken können, die bei nicht Nichtdiagnostik oder Nichtbehandlung zu schweren Folgeschäden führen können. Bei Verdacht auf intracarpale Verletzungen sollte unbedingt eine Vorstellung beim Handchirurgen erfolgen, um unnötige Verzögerungen bei der Diagnostik zu vermeiden und schnellstmöglich eine spezialisierte Therapie einzuleiten.

Autor: Prof. Dr. med. Günter Germann

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