Myofasziale Triggerpunkte behandeln

Schmerzen – Häufige Ursache: Myofasziale Triggerpunkte

Die Muskulatur, die immerhin 40–50 % des Körpergewebes ausmacht, spielt in der Sportmedizin hinsichtlich der Kraftentwicklung und Leistungssteigerung eine wichtige Rolle. Erfahrene Ärzte, Physiotherapeuten und Osteopathen wissen aber auch, dass myofasziale Strukturen (Muskulatur und Bindegewebe) häufig ursächlich für akute und chronische Schmerzen sind. Typischerweise werden so genannte myofasziale Triggerpunkte (MTrP) in der Muskulatur, aber auch im Bindegewebe festgestellt, die meist einen Schmerz, der oft als Gelenkschmerz wahrgenommen wird, auslösen.

Wird das myofasziale Schmerzsyndrom (ICD 10. M79.1) mit in die diagnostische Betrachtung bei Schmerzen des Bewegungsapparates gezogen, werden myofasziale Triggerpunkte in 30-93 % der Fälle festgestellt, bei Rückenschmerzen sogar bis zu 96%.

Geschichte und Grundlagen des myofaszialen Schmerzsyndroms

Janet Travell hat in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts das myofasziale Schmerzsyndrom medizinisch definiert. Im Laufe der folgenden Jahre wurden medizinische Definitionen, die eine Veränderung in der Muskulatur beschrieben (Muskelhärten, Myogelosen etc.), unter den Begriff des myofaszialen Triggerpunktes (MTrP) subsummiert. Bei MTrP handelt es sich um eine muskuläre Dysfunktion auf der Ebene der motorischen Endplatte und der sarkoplasmatischen Retikula, die wiederum zu einer lokalen Kontraktion mit ischämieinduzierter Hypoxie führen. Die resultierende Energiekrise führt über die Hypoxie zu einer Sensibilisierung der umliegenden Nozizeptoren.

Neuere wissenschaftliche Arbeiten haben gezeigt, dass Schmerzen aus der Muskulatur sich von den nozizeptiven Reizen der Haut unterscheiden. Des Weiteren sind mittels Mikrodialyse-Kathetern aktive MTrP, bei denen auch die Diagnosekriterien des Übertragungsschmerzes und der Wiedererkennung des Schmerzes festgestellt wurden, von den so genannten latenten MTrP differenziert worden, bei denen nur die Diagnosekriterien des muskulären Hartspannstranges, der „knötchenartigen Verdickung“ und der lokalen Zuckungsreaktion gefunden wurden. So konnte gezeigt werden, dass eine signifikante Erhöhung von vaso-reaktiven und nozizeptiven Substanzen in aktiven Triggerpunkten zu finden ist.

Diagnostik myofaszialer Schmerzen

Wegweisend für die Diagnostik der myofaszialen Schmerzen ist die Kenntnis der für die einzelnen Muskeln typischen Übertragungsschmerzmuster (engl. Referred Pain Patterns), die von Janet Travell und Dave G. Simons erfasst und von weiteren Autoren ergänzend beschrieben wurden. Diese Schmerzmuster des übertragenen Schmerzes aus der Muskulatur sind sowohl anamnestisch als auch diagnostisch von hohem Wert, da sie sehr hilfreich für das Verständnis der Schmerzproblematik des Patienten sind. Am Anfang jeder Untersuchung auf myofasziale Schmerzen stehen eine ausführliche Anamnese und eine orientierende neurologisch-orthopädische Untersuchung, da aktive MTP oft neurologische und orthopädische Krankheitsbilder sowie Symptome der Gelenkdysfunktion imitieren. Anhand der Diagnosekriterien nach Travell/ Simons (Tab. 1) ist das myofasziale Schmerzsyndrom eindeutig zu diagnostizieren und von geübten Untersuchern sind MTrP klinisch sicher zu identifizieren:

  1. Tab. 1: Diagnosekriterien des myofaszialen Schmerzsyndroms n. Travell/Simons
  2. Muskulärer Hartspannstrang (Taut Band)
  3. „Knötchen“ auf dem Hartspannstrang mit verstärktem Druckschmerz (Tender Nodule)
  4. Wiedererkennung des Schmerzes (Recognition)
  5. Charakteristischer ausstrahlender Schmerz (Reffered Pain)
  6. Lokale Zuckungsreaktion (Local Twitch)

Die Diagnosekriterien „Übertragungsschmerz“ und „Wiedererkennung“ unterscheiden die aktiven MTrP von den latenten MTrP und sind erklärend für die Einordnung von MTrP in ein Schmerzgeschehen. Im Zentrum der Diagnostik steht die eingehende palpatorische Triggerpunktuntersuchung. Bildgebende Verfahren sind allenfalls zur Ausschlussdiagnostik erforderlich. Die profunde Palpation ist Voraussetzung des Auffindens und der exakten Lokalisation von MTrP und sollte zuvor in speziellen Kursen erlernt worden sein. Besonders werden die Diagnosekriterien des „Übertragungsschmerzes“ und der „Wiedererkennung“ beachtet, da diese aktive MTrP charakterisieren und für die Beschwerden des Patienten eine größere Bedeutung haben.

Sehr häufig ist die Lokalisation von MTrP mittig im Muskelbauch des jeweils betroffenen Muskels. Eine Erweiterung sowohl der Möglichkeiten der Diagnostik als auch der Therapie von MTrP stellt der Einsatz von fokussierten extrakorporalen Stoßwellen (fESWT) dar. Neuere klinische Studien haben gezeigt, dass vor allem die Diagnosekriterien „Wiedererkennung“ und „Übertragungsschmerz“ signifikant häufiger mit der fESWT als mit der herkömmlichen Palpationstechnik diagnostiziert werden. Somit bestätigt die fESWT die klinische Untersuchung und erweitert die Diagnostik des myofaszialen Schmerzsyndromes um ein apparatives reproduzierbares Verfahren.

Therapie von myofaszialen Schmerzen

Die Therapieverfahren zur Behandlung von myofaszialen Schmerzsyndromen basieren vereinfacht dargestellt auf einer Lösung der MTrP, die mittels reflektorischer Techniken oder mechanischer Lösung erzielt wird. Besonders bei chronischen myofaszialen Schmerzen haben sich punktgenaue Behandlungsmethoden der MTrP als sehr wirksam erwiesen. Myofasziale Schmerzen lassen sich ebenfalls erfolgreich mit Nadelungstechniken, Infiltration oder Dry Needling behandeln. Eine exakte Punktlokalisation ist für diese Behandlungsmethoden unabdingbar. Auch hier orientiert man sich an den oben aufgeführten Diagnosekriterien. Die lokale Zuckungsreaktion (engl. Local Twitch) ist bei den Nadelungstechniken als Zeichen der sicheren Lokalisation der Nadel gefordert und bei den oberflächlichen Muskeln gut sichtbar.

Der Effekt der Infiltrationstherapie beruht offensichtlich nicht nur auf der Wirkung des Lokalanästhetikums, sondern sowohl auf der reflektorischen „Local Twitch- Reaktion als auch auf einem „Ausspüleffekt“ der vaso-nozizeptiven Substanzen aus dem myofaszialen Triggerpunkt. Eine wesentliche Überlegenheit der Infiltrationstechnik gegenüber dem Dry Needling, bei dem der MTrP mehrfach mittels einer Akupunkturnadel durchstoßen wird – mit jeweiliger Zuckungsreaktion –, hat sich nicht herausgestellt. Das gezielte Dry Needling von MTrP scheint der herkömmlichen Akupunktur überlegen zu sein. Die Behandlung myofaszialer Schmerzen mithilfe der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) hat sich in den letzten Jahren etabliert. Man unterscheidet die radiale Stoßwelle, die ihr Energiemaximum an der Eintrittsstelle auf der Haut hat und deren Energie sich dann im Gewebe radial (diffus) ausbreitet, von der fokussierten ESWT, deren Energiemaximum sich je nach gewünschter Eindringtiefe im Gewebe bündelt.

Die radiale Stoßwelle ist aufgrund der geringen Eindringtiefe zur Behandlung von oberflächlichen MTrP und zur unspezifischen Muskeltherapie geeignet. Die fokussierte ESWT ist in der Lage, bei exaktem Fokussieren des MTrP entsprechende Schmerzphänomene der Wiedererkennung und des Übertragungsschmerzes während der Behandlung auch in tiefer gelegenen Muskelschichten auszulösen. Die profunde Palpation ist Voraussetzung der Behandlung von myofaszialen Schmerzen mittels fESWT und dient der exakten Tiefenlokalisation von MTrP. Die Energieflussdichte (EFD) bewegt sich bei dieser Art des Einsatzes der fESWT ausschließlich im niedrigenergetischen Bereich (EFD: 0.0 – 0.25 mJ/mm2). Zur Durchführung einer direkten MTrP-ESWT erscheint der Einsatz eines punktgenauen, relativ kleinen Fokus von Vorteil zu sein, damit keine weiteren unnötigen nozizeptiven Reize an anderen Strukturen ausgelöst werden, was sowohl die Diagnostik als auch die Therapie negativ beeinträchtigen würde.

Fazit

Eine differenziertere Diagnostik von Beschwerden des Sportlers, die myofasziale Triggerpunkte in die Untersuchung mit einbezieht, erhöht das Verständnis der Schmerzursache und ist sinnvoll, um unnötige apparative Untersuchungen und komplikationsträchtige Operationen zu vermeiden.

Autor: Dr. med. Hannes Müller-Ehrenberg

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