Knie – Bioprothese contra künstliches Kniegelenk

Kann man damit noch Sport treiben ?

Wir alle kennen die gesundheitsfördernde Wirkung sportlicher Betätigung. Wir wissen, dass sich unser Körper an die Belastung, die wir ihm abverlangen, durch eine funktionelle und auch strukturelle Veränderung anpasst und dadurch leistungsfähiger wird. Jedenfalls gilt dies solange, wie wir ihn nicht akut, z.B. durch Unfälle oder chronisch durch Überlastung, überfordern und damit aus dem Gleichgewicht bringen. Beides, sowohl der akute Unfall als auch die chronische Überforderung, hinterlassen Schäden im Organismus.

Im Fall des Kniegelenks sind die Geschichten vom gerissenen Meniskus, dem übersehenen oder unbehandelten Kreuzbandriss und der späteren Sportinvalidität durch eine schwere Arthrose bekannt. An Sport ist in einer solchen Situation kaum mehr zu denken. Geht der Sportler zum Arzt, hört er nicht selten, dass man gegen seine
Arthrose nichts machen könne und dass er warten solle, bis er für eine Knieprothese alt genug sei. Mit einem solchen Ratschlag im Alter von 35 Jahren konfrontiert zu werden, ist natürlich nicht gerade tröstlich, wenn man bedenkt, dass wir hier leicht über 30 weitere Jahre Schmerzen und Sportverzicht reden.

Weil ich diese Geschichten wieder und wieder hörte, schrieb ich vor 10 Jahren ein Buch mit dem Titel „Kniearthrose – von wegen da kann man nichts machen“. Leider stelle ich fest, dass ich doch ein einsamer Prediger in der Wüste geblieben bin, denn die Situation hat sich bis heute nicht gebessert. Ein Blick in das Internet zum Thema Kniearthrose macht schnell deutlich, dass es zwischen der Spritze auf der einen und dem künstlichen Kniegelenk auf der anderen Seite keine vernünftigen Therapievorschläge gibt, die dem betroffenen Sportler tatsächlich etwas bringen.

Wie man dem Titel des Buches schon entnehmen kann, kann man sehr wohl etwas machen und dies mit gutem Erfolg. Die Kombination, die ich bei Sportlern sehr häufig sehe, ist ein fehlender Innenmeniskus, ein nicht mehr vorhandenes vorderes Kreuzband und eine O-Bein-Fehlstellung. Es gibt natürlich viele andere Kombinationen, aber die hier beschriebene ist die weitaus häufigste. Den Patienten, die ja in der Regel medizinische Laien sind, erkläre ich das, was gemacht werden muss, immer so: Wir brauchen neue Reifen (sprich neuen Knorpel = Bioprothese) und die Spur muss gerichtet werden (Umstellung der Beinachse = Beseitigung des O-Beines) und das Klappern muss verschwinden (Stabilität herstellen = Kreuzband ersetzen).

Was hier etwas „hemdsärmelig“ herübergebracht wurde, bedeutet nun Folgendes. In Fällen einer schweren O-Beinarthrose läuft der Patient „auf der Felge“, d.h., die Knochen schlagen bei jedem Schritt aufeinander. Dabei ist die Außenseite des Gelenks meist vollkommen unversehrt, was zur Folge hat, dass dieser Gelenkteil mit der Umlagerung der Beinachse auch vermehrt belastet werden darf. Die beiden Teile der Operation führen wir in einer Sitzung durch. Zunächst wird der kahle Knochen mit einem kleinen Spezialfräser oberflächlich etwa 1 mm tief abgefräst. Dieser Vorgang, Abrasion genannt, dauert je nach Schwere des Falles 30 bis 60 Minuten. Durch die zusätzliche Verwendung von Stammzellen, die gleichzeitig vom Patienten gewonnen werden, gewinnen wir einen zusätzlichen „Turboeffekt“ für die Bildung des Ersatzknorpels.

Unmittelbar danach wird die Geradstellung des Beines vorgenommen, wobei unterhalb des Kniegelenks ein kleiner Knochenkeil entnommen wird.Nach der Entfernung des Keils wird der entstandene Spalt geschlossen und die Knochen werden mit einer kleinen Metallplatte und Schrauben in der neuen Stellung gehalten. Nach sechs Monaten erfolgt dann eine Revisionsoperation mit Inspektion des Gelenkes, die Platte wird in dieser Sitzung ebenfalls entfernt. Wenn das vordere Kreuzband fehlt, wird in der gleichen Operation auch das Band ersetzt, wobei hierfür die vierfach genommene Semitendinosus-Sehne verwendet wird.

Mit diesem zugebenermaßen etwas aufwändigen Programm gelingt es nicht nur, den Patienten vor einem künstlichen Kniegelenk zu bewahren, sondern ihn auch wieder sportfähig zu machen. Natürlich geht das mit dem „runderneuerten“ Gelenk nicht auf dem gleichen Niveau wie früher, aber jemand, der kaum noch schmerzfrei gehen konnte, erwartet das auch nicht. Sie werden sich vielleicht wundern, weshalb ich so wenig Raum dem künstlichen Kniegelenk widme. Zum einen ist das künstliche Kniegelenk für den Sportler keine geeignete Lösung und zum anderen haben wir mit der Bioprothese gerade für die Altersgruppe zwischen 35 und 60, die für eine Prothese ohnehin zu jung wäre, eine ausgezeichnete Alternative. Und schlussendlich läuft uns die Prothese nicht davon.

Ist einmal der Ersatzknorpel aufgebraucht und der Patient bereits in einem „prothesefähigen“ Alter, kann man ihn immer noch mit einem künstlichen Kniegelenk versorgen. Die Lebensqualität und den Lebensgenuss während der ca. 15 Jahre, die die Bioprothese hält, kann ihm allerdings niemand mehr nehmen. Das ist das Credo in unserem Haus und damit sind wir in den vergangenen 30 Jahren sehr gut gefahren – und unsere Patienten auch.

Autor: Prof. Dr. Jürgen Toft

http://www.knie.de

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