Alkoholprävention im Jugendfußball

Junge Menschen vor Sucht zu schützen, gelingt am besten dort, wo sie durch positive Vorbilder und Bezugspersonen geprägt werden. In diesem Zusammenhang ist neben der Schule und dem Elternhaus der Sport- und Freizeitbereich besonders wichtig. Dem Vereinssport wird zugeschrieben, dass er dazu beiträgt, die Jugendlichen von der Straße fernzuhalten und auch einen positiven Einfluss auf den Konsum von Alkohol und Drogen auszuüben.

Jedoch gibt es eine Reihe von Studien, die belegen, dass Jugendliche in Sportvereinen, und hier besonders Jungen in Mannschaftssportarten wie Fußball oder Handball, vermehrt Alkohol konsumieren [1, 8, 9]. Darüber hinaus finden sich Geschlechtsunterschiede: In Deutschland weisen Jungen bei Bier und Biermixgetränken einen mehr als doppelt so hohen Konsum auf wie Mädchen [2].

Unter diesen Gesichtspunkten stellt Fußball als die verbreitetste Vereinssportart unter männlichen Jugendlichen [10] ein wichtiges und sinnvolles Umfeld für den Einsatz von Alkoholpräventionsprogrammen dar. Idealerweise setzen Präventionsprogramme in einem Alter von 12 bis 16 Jahren an, denn dort entwickeln sich die entscheidenden Verhaltensmuster für den Konsum [3, 4]. Das Ziel des Präventionsprogramms TrainerPlus besteht allerdings nicht in einer lebenslangen Alkoholabstinenz, die angesichts der gesellschaftlichen Akzeptanz und Präsenz von Alkohol unrealistisch wäre.

Im Vordergrund stehen vielmehr die Sensibilisierung der Trainer und Vereine für das Thema „Umgang mit Alkohol“ und ihre damit verbundene gesellschaftliche Verantwortung sowie das Hinauszögern des Alters, in dem mit dem Alkoholkonsum begonnen wird. Je später der Konsumeinstieg erfolgt, umso weniger wahrscheinlich ist die Entwicklung von Risiken bzw. Schwierigkeiten im Umgang mit Alkohol im Erwachsenenalter [7]. Anders gesagt: Je früher Kinder und Jugendliche mit dem Alkoholtrinken anfangen, umso eher bekommen sie später größere Probleme mit dem Alkohol. Mit Blick auf das Erwachsenenalter steht also die Fähigkeit zum verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol in einem risikoarmen bzw. moderaten Maß im Vordergrund.

Der Projektverlauf

TrainerPlus wurde vom Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin entwickelt, gefördert aus Mitteln der Mast-Jägermeister SE. Über drei Jahre hinweg wurden in drei aufeinander aufbauenden Trainingsseminaren die Jugendfußballtrainer von Experten der Humboldt- Universität zu Möglichkeiten der Prävention geschult, die sie dann in ihrem Verein bei den Jugendlichen umsetzen sollten. Während der Spielzeit erhielten die Jugendtrainer weitere Unterstützung und Betreuung, u.a. durch Übungsanregungen in Form von Broschüren, E-Mail-Newslettern und Onlinematerialien.

Das grundlegende Konzept von TrainerPlus ist die Schaffung einer günstigen Lernumwelt, in der die jungen Spieler die Möglichkeit haben, positive und selbstwertstärkende Erfahrungen zu machen. Wichtig dabei ist die Vermittlung von Erfolgserleben, von sozialer Einbindung und das Erfahren von Selbstbestimmung [5, 6].

Neben der Stärkung der sozialen Widerstandsfähigkeiten der Jugendlichen (z.B. Nein sagen können bei Angeboten von Alkohol) sollen die oft überzogenen Vorstellungen bezüglich der Verbreitung des Alkoholkonsums bei Gleichaltrigen korrigiert werden. Zusätzlich soll das Training die Möglichkeiten bieten, dass die Jugendlichen auch ihre Fähigkeiten zur Bewältigung alltäglicher Anforderungen und Probleme ausbauen können. Inhalte der drei jährlich stattfindenden Trainingsseminare (jeweils eines pro Jahr zu Beginn der Fußballsaison) sind:

1. Phase: Wissensvermittlung

  • Fakten und Hintergründe zu Alkoholkonsum, Alkoholmissbrauch und Sucht
  • Einfluss von Gleichaltrigen (Peers) und Vorbildern
  • Wirkungsvolle Prävention aus entwicklungspsychologischer Sicht
  • Mit Jugendlichen über persönliche Sichtweisen oder Probleme ins Gespräch kommen

2. Phase: Einstellungsänderung

  • Stärkung sozialer Widerstands- fähigkeiten und Strategien
  • Korrektur wahrgenommener sozialer Normen im Kreis der Gleichaltrigen
  • Umgang mit Alkohol im Sportverein und in der eigenen Mannschaft
  • Gespräche mit Jugendlichen und Eltern über Alkohol

3. Phase: Verhaltensänderung

  • Verhalten und Vorbilder im Verein
  • Gleichaltrige (Peers) als Vorbilder gewinnen, selbst Vorbild sein
  • Gemeinsamkeiten und Verhaltensweisen der Jugendlichen als Team
  • Umgang mit Belastungen und Stress bei den Jugendlichen
  • Präventionsunterstützende Maßnahmen Übungen und Methoden für die Trainingsarbeit
  • Die Durchführung und wissenschaftliche Begleitung

Das Projekt begann mit der Saison 2010/2011 in 644 Fußballvereinen aus dem gesamten Bundesgebiet. Daran angepasst wurden für die teilnehmenden Vereine pro Jahr mehr als 30 Seminare in Städten in ganz Deutschland angeboten. Jeweils vor dem Beginn der Schulungen sowie am Ende der Spielzeit wurden die Trainer und die Jugendfußballer befragt. Als jüngstes Präventionselement erhielten die Jugendlichen eine Broschüre über die Wirkung von Alkohol auf die sportliche Leistungsfähigkeit.

Zusätzlich wurde auf der Projekt-Website http://trainer-plus.de/ ein Alkohol-Selbsttest für die Jugendlichen bereitgestellt, durch den sie eine individualisierte Rückmeldung zu ihrem Trinkverhalten im Vergleich zu anderen Jugendfußballern bekommen können. Diese Programmelemente dienen als ein weiterer Baustein zur Korrektur überzogener Vorstellungen zur Verbreitung des Alkoholkonsums unter Jugendlichen. Fazit Das Projekt befindet sich zurzeit mit der Erhebung der letzten Befragungen der teilnehmenden Vereine in der Abschlussphase. Anschließend erfolgt die intensive Aufarbeitung und Auswertung der Daten für eine wissenschaftliche Bewertung des Erfolgs von TrainerPlus.

Autor: von Prof. Dr. phil. Matthias Jerusalem

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