Akutbehandlung der Achillessehnenruptur

Wie im Hinblick auf die Akutbehandlung der Achillessehnenruptur herrscht auch hinsichtlich der Nachbehandlung ein breites Spektrum von Meinungen. Wir beschränken uns deshalb (eminence based) auf unsere Erfahrungen in einer auf Achillessehnenprobleme spezialisierten Sportklinik.

Die Rehabilitation nach einer Achillessehnenruptur muss beim Spitzensportler zum Ziel haben, seine Sportart auf demselben Level auszuüben zu können wie vor dem Trauma. Sie ist von folgenden Faktoren abhängig:

Die adäquate Rekonstruktion der zerrissenen Anteile

Dazu gehören eine genaue Abklärung des Ausmaßes der Ruptur und deren adäquate Versorgung. So kann bei einer nicht diagnostizierten Zweitageruptur ohne Naht des proximalen Gastrocnemiusspiegels keine vollständige Kraftübertragung mehr erwartet werden. Gleiches gilt beim distalen muskulotendinösen Abriss des M. Soleus, falls er nicht an anatomischer Stelle refixiert wird. Daraus ergibt sich, dass sich die offene Technik beim Hochleistungssportler anbietet oder gar zwingend erscheint, wenn operativ durch Verwebe- und Spleißtechniken (z.B. Klöppeltechnik nach Segesser) eine hohe Primärstabilität und Zugfestigkeit unter initialer Verkürzung der Sehne und ohne viel Nahtmaterial erzielt werden soll. Die Reissfestigkeit der Sehne darf nicht von der Qualität des Nahtmaterials abhängig sein (Abb. 1).

Die adäquate postoperative Stress protection der operierten Sehne

Bei guter Primärstabilität ist eine postoperative Gipsruhigstellung über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen obsolet. Da ein Gips auf den Leistungssportler in der Regel einen invalidisierenden Eindruck macht, haben wir uns schon seit vielen Jahren mit den Möglichkeiten der stabilisierenden Schuhversorgung auseinandergesetzt. Die Firma Adidas hat initial mit Adimed ein eigenes Programm von Stabilschuhen (z.B. Adimed Stabil zur Behandlung von Bandverletzungen am Sprunggelenk) auf den Markt gebracht, das später von der Firma Orthotech übernommen wurde. Bei limitierter Bewegung kann auf das operierte oder konservativ abheilende Kollagengewebe ein dosierter Zugstress ausgeübt werden, der die Ausrichtung der Faserstruktur fördert.

Durch sukzessiven Abbau der Stabilisatoren werden die Belastungsreize gesteigert, bis ein Übergang zum normalen Sportschuh möglich wird. Der Vorteil einer Schuhversorgung des Sportlers nach Verletzungen besteht v.a. gegenüber anderen Fixationstechniken darin, dass rasch ein annähernd symmetrisches Bewegungs- und Gangverhalten erreicht wird, das rascher auch gekreuzte Aktivierungsmuster ermöglicht und das Ersatz- und Rehatraining (frühfunktionelles Koordinations- und Krafttraining, Ergometer, Kraftmaschinen etc.) erleichtert. Bei einseitiger Stabilisierung (z.B. Oped) mit Abrollhilfen etc. muss eine funktionelle Beinlängendifferenz in Kauf genommen oder mit einem Zivilschuh, der allerdings andere Abrolleigenschaften aufweist, ausgeglichen werden. Dennoch haben auch diese Stabilisationshilfen große Fortschritte gemacht.

In einer Studie konnten wir nachweisen, dass keine der Stabilisationshilfen initial eine genügende Stressprotektion bildet, wenn man Zahlen aus der Literatur zur Zugfestigkeit zu Grunde legt (Brüggemann, G.-P., Heinrich, K., Kälin, X., Segesser, B., Stäudle, B., 2010). Allerdings erreicht auch die spontane Kontraktionsqualität initial nie die Reißfestigkeitsgrenze. Nur bei reaktiven Kontraktionen (z.B. Ausrutschen auf der Seife) ist eine spontane Reruptur möglich. Öfter ist aber eine inadäquate Nahttechnik oder Sehnennekrosen nach Strangulationsnähten der wahrscheinlichere Grund für eine Reruptur. Die Nachbehandlung der Achillessehnenrupturen erfolgt in unserer Klinik frühfunktionell mit dem hohen Achillessehnenschuh (Orthotech), nachts in einer ventralen Schiene mit Spitzfußstellung und Flexion im Kniegelenk. Diese Nachtstabilisierung wird nach einer Woche bis auf Kniegelenkshöhe gekürzt und nach vier Wochen ganz weggelassen.

Der Spezialschuh wird mit einer Einlagesohle und zwei bis vier Fersenkeile vorbereitet. Ebenfalls wird der vordere Schuhschaft mit einer steifen Lasche (Abb. 2) ausgerüstet. Dies hat den Vorteil, dass der Patient bei der Schrittauslösung über die Tibiakante gegen die Lasche drückt und somit die Rückfußregion mittels dieser ventralen Kraftübertragung entlastet. Der Patient steht in seinen Schuhen zwar in einer Spitzfußstellung, kann aber das operierte Bein nach wenigen Tagen wieder belasten, so- dass unmittelbar mit der Sportphysio- und Trainingstherapie begonnen werden kann.

Die adäquate physiotherapeutische Nachbehandlung

Die postoperative sportphysiotherapeutische Nachbehandlung richtet sich nach den Angaben des Operateurs, der mehr oder weniger Vertrauen in seine Rekonstruktion hat und die Reha entsprechend vorsichtig oder aggressiv vorgibt. Therapieschemata sind deshalb keine Kochbuchrezepte und entsprechen vielleicht nicht in allem dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Der Sportphysiotherapeut selbst ist deshalb angehalten, in Absprache mit dem Operateur einen für den Patienten und Sportler optimalen Weg zu finden, um evidenzbasierte Erkenntnisse der physiologischen Wundheilung und der modernen medizinischen Trainingstherapie sowie seine klinischen Erfahrungen in die Nachbehandlung einfließen zu lassen.

Da die Achillessehne ein bradytrophes Gewebe ist, das vor allem durch Diffusion ernährt wird, ist Spannung und Entspannung im Wechsel unabdingbar, eine Gipsruhigstellung somit kontraproduktiv; andererseits führt eine zu frühe zu hohe Zugbeanspruchung zu einer Dehnung des Gewebes und mittelfristig zu einer funktionell zu langen Sehne. Ging es früher häufig darum, nach den Achillessehnenrekonstruktionen Schwellungen, Kontrakturen und Immobilisationsschäden in Grenzen zu Bildung von unspezifischem Gewebe und Adhäsionen frühzeitig vorgebeugt. Die frühe Belastung fördert die Mobilität und die schnellere Rückkehr in den Berufsalltag. Beim Leistungssportler ermöglicht sie eine rasche Aufnahme eines Ersatz- und Ergänzungstrainings.

Erste Frühphase (3 – 5 Tage)

Die erste Frühphase dauert ca. fünf Tage und richtet sich nach der Dauer der primären Entzündung nach einer Verletzung respektive OP. Dementsprechend stehen die allgemeinen, abschwellenden gewebsregenerierenden Maßnahmen wie manuelle Lymphdrainage, Kinesiotaping sowie moderate Kühlmethoden (z. B. cool down Bandagen) im Vordergrund, unterstützt durch Kompression und Hochlagerung. Die paraachilläre Kompression mit Gazerollen ist wichtig, um eine Schwellung im paraachillären Raum zu verhindern, was durch vermindertes Diffusionsvermögen der Nährstoffe unweigerlich zu einer schlechteren Sehnenernährung führen würde. Diese wird im späteren Verlauf der Therapie durch eine Bandage mit Silikoneinlage ersetzt. Zusätzlich sind alle passiven Maßnahmen, die eine stoffwechselaktivierende und schwellungsreduzierende Wirkung versprechen (mittelf requente Elektrotherapie Magnetfeldanwendungen etc.), zu empfehlen.

Bei gutem Heilungsverlauf wird bereits jetzt mit aktiver Therapie begonnen. Hier steht die korrekte Innervation von Soleus und Gastrocnemius in unterschiedlichen Kniestellungen im Vordergrund, wobei der korrekten Kontraktion sowohl des medialen als auch des lateralen Anteils des Gastrocnemius besonders Beachtung geschenkt werden muss, was je nach Rupturform nicht einfach, aber zwingend notwendig ist. Wir trainieren dies mittels Innervationsschulung, isometrischen Spannungsübungen ohne Widerstand, taktilen Reizen am Muskelbauch (manuelle Reize, Taping) sowie Elektrostimulation mittels Compex.

Bei der Elektrostimulation ist besonders darauf zu achten, dass der Patient bei den Kontraktionen versucht, eine Eigenkontraktion aufzubauen, um den aktiven Reiz zu automatisieren und einen neuromuskulären Reiz zu setzen, sodass eine möglichst komplette Kontraktion des Zielmuskels erreicht wird. Selbständige stündliche Wiederholungen von 10-20 Kontraktionen sind im schmerzfreien Bereich anzustreben. Die Kontraktionsqualität ist dabei wichtiger als die Kontraktionsstärke. Auf eine isolierte Spannung der Wadenmuskulatur ohne Kokontraktion der Zehenflexoren ist speziell zu achten. Aufgrund der initial katabolen Stoffwechselsituation nach einer Operation macht ein Ersatztraining in dieser Phase keinen Sinn.

Späte Frühphase (2. – 3. Woche)

Die späte Frühphase ist der Beginn der Proliferationsphase und dauert bis zur dritten postoperativen Woche. Nach Rückgang von Schwellung und Schmerz kann ab 4.–5. postoperativem Tag der mit den Keilen und der Lasche versehene Achillessehnenschuh mit sukzessiv zunehmender Belastung getragen werden. Dementsprechend können nun komplett neue Trainingsreize gesetzt werden mit dem Ziel, mit gewichttragenden Übungen höhere Belastungsreize zu setzen. Dabei muss der Fuß in Plantarflexion fixiert bleiben, um einen passiven Zug auf die Achillessehne zu vermeiden.

Alle Trainingsinterventionen müssen schmerzfrei durchgeführt werden können. In funktionellen Ausgangsstellungen kann nun die Wadenspannung beübt werden. Nach wie vor ist auf eine qualitativ hochstehende Kontraktion aller Muskelanteile von Soleus und Gastrocnemius zu achten. Dazu können Vorfußbelastungen mit Rotationswiderständen sowie verschiedenen Kniewinkelstellungen, aber nach wie vor ausschließlich isometrisch kombiniert werden (Abb. 3).

Die Belastung richtet sich hier einerseits nach der Belastungstoleranz von Sehnengewebe in der Proliferationsphase, die besagt, dass ausschließlich Matrixbelastungen erlaubt sind, was bedeutet, dass es zu keinerlei Strukturbeanspruchung kommen darf, die sich über ein Dehngefühl der Sehne bemerkbar machen würde. Andererseits belasten wir nach der Trainingslehre im koordinativen System mit einer Belastungsdauer von etwa einer Minute. Bereits in diese Phase können sportartspezifische Übungen eingebaut werden, die – für den Trainingserfolg noch nicht sehr relevant – eine gute Motivationshilfe sein können. Das Ersatztraining richtet sich nach der Sportart des Athleten.

Dabei werden Oberkörper und Rumpf im Kraftausdauersystem trainiert. Der Ausdauerbereich erfolgt mit dem Fahrradergometer, wobei die Pedale über den Druck aus dem Mittelfuß und nicht über den Vorfuß belastet werden soll, was Fußschlaufen oder Klickpedale in dieser Phase ausschließt. Trainingsintensität im aeroben Ausdauerbereich, Trainingszeit ab anfänglich zehn Minuten ansteigend. Die in der ersten Frühphase erwähnten passiven Therapien sollten bei Bedarf weitergeführt und regenerative Maßnahmen verstärkt werden.

Mittlere Phase (4. – 7. Woche)

Während dieser Phase können bei positivem Verlauf die stabilisierenden Elemente des Achillessehnenschuhs langsam abgebaut werden. Das Training wird unter Einhaltung der Limiten der späten Frühphase gesteigert und durch ein Kraftausdauertraining der unteren Extremität ausschließlich in geschlossener Kette ergänzt. Konzentrische Wadenübungen wie z. B. calf raises sind nach wie vor verboten. Im koordinativen Bereich werden Variationen auf labilisierenden Unterlagen eingefügt, verbunden mit Aktivitäten der oberen Extremität, des Rumpfes oder des Spielbeines (Abb. 4). Nach wie vor bleibt der Fuß konsequent in Spitzfußstellung, eine Dehnung der Achillessehne durch forcierte Dorsalextension ist zu vermeiden.

Erste Endphase (-12. Woche)

In dieser Phase hat der Abbau der stabilisierenden Elemente des Achillessehnenschuhs bereits eingesetzt. Mithilfe einer biomechanischen Ganganalyse kann beurteilt werden, ob das Abrollverhalten des operierten Fußes bereits genügend ist, um auf die steife Lasche zu verzichten. Diese Ganganalyse wird, sofern vorhanden, mit der präoperativen Analyse verglichen sowie einer Idealkurve gegenübergestellt. Im positiven Fall wird die Lasche entfernt, anschließend wöchentlich ein Keil unter Reduktion der Spitzfußstellung.

Ab zehn Wochen ist nach einer weiteren Ganganalyse der Wechsel in einen stabilen Turnschuh mit einem Fersenkeil möglich. In der Phase des Schuhabbaus ist eine Trainingssteigerung nicht notwendig, da der stetig geringer werdende Support der Keile bereits eine erhebliche Intensitäts- und Spannungssteigerung darstellt. Mit der ersten Endphase beginnt auch die Remodulationsphase mit Umbau des Reparaturkollagens (Kollagen Typ 3) in die sehnenspezifische Kollagenzusammensetzung. Die Steifigkeit der Sehne nimmt ab, die Sehne selbst weist aber noch viele Wochen einen erhöhten Durchmesser auf.

Dies erlaubt eine Belastungssteigerung mit vermehrter Zugbeanspruchung der Sehne. Leichter Zug ist geduldet, Dehnschmerz aber nicht. Das Bewegungsausmaß der koordinativen Übungen wird größer. Es darf nun auch die Plantarflexion konzentrisch trainiert werden, wobei es sich empfiehlt, die Übungen zuerst geführt oder underloaded zu trainieren (z.B. Kippbrett, Beinpresse). Von der Trainingsintensität kann und soll nun in die Hypertrophiebelastung gewechselt werden, wobei mit 8 bis 12 Wiederholungen und drei Serien ermüdend trainiert wird. Im koordinativen Bereich wird zusätzlich im feed forward-System (Voraktivierung des Muskelsystems) trainiert. Dies ist unerlässlich, um das Gewebe sowie die Muskulatur auf die Belastung des Joggings vorzubereiten. Wichtig zu wissen ist, dass hier die Basis der sportspezifischen Kraft-und Koordination zu legen ist und demnach je nach Athlet deutlich variieren kann.

Späte Endphase (frühestens ab 12. Woche)

Die späte Endphase beginnt nach drei Monaten und dauert bis zum Wiedereintritt in den Wettkampfsport resp. zum Abschluss der Therapie. Sinnvollerweise wird in dieser Phase die Führung des Calcaneus durch eine unter dem Sustentaculum tali angebrachte mediale Abstützung unterstützt. Als Bandage eignet sich weiterhin eine Bandage mit paraachillärer Kompression und Massageeffekt des Peritendineums, was dem sportartspezifischen Training der unteren Extremität keinen Abbruch tut. Typischerweise besteht nach Achillessehnenoperationen häufig die Problematik, dass die maximale Plantarflexionsstellung gewichttragend nicht erreicht oder gehalten werden kann. Es ist also eminent wichtig, Plantarflexionstraining mit Betonung der Endstellung (end of range) zu trainieren, um einer aktiven Insuffizienz der Wadenmuskulatur vorzubeugen. Ansonsten wird das Training sportartspezifisch weiter gesteigert, wobei Jogging ab dem 4. Monat und Sprungtraining ab dem 5. Monat erlaubt ist.

Fazit

  • Frühfunktionelle Nachbehandlung braucht dosierte Belastung ohne Ängste.
  • Nur Belastung in jeder Phase der Nachbehandlung bringt eine funktionelle Ausprägung des Gewebes und vermindert die Atrophie und den Kraftverlust.
  • Gleitschichten müssen aus Gründen der Adhäsionsprophylaxe und der Gewebeernährung durch Diffusion unterhalten und gepflegt werden.
  • Der Spitzensportler ist keine biologische Sondervariante und sein Gewebe braucht die Regenerationszeit, die jedem bradytrophen Gewebe eigen ist (das heißt bis zu 200 Tage)
  • Eine Optimierung der Nachbehandlung sollte durch regelmäßige Ganganalysen und biomechanische Tests zur Objektivierung des Behandlungsresultats begleitet sein.
  • Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit als Hochleistungssportler muss stufenweise erfolgen und therapeutisch begleitet sein.
  • Es braucht somit in jedem Fall ein sehr gutes Patientenmanagement und ein gegenseitiges Vertrauen von Operateur und nachbehandelndem Physiotherapeuten.

Autoren: Felix Urs Zimmermann, Emanuel Abt

Als Co-Autoren haben mitgewirkt: Dr. Lukas Weisskopf, Prof. Dr. Peter Brüggemann und Dr. Xaver Kälin

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