Muskelverletzungen im Sport und die Behandlung

Sehr viele Sportler, egal, ob im Breiten- oder Leistungssport, sind von Muskelverletzungen betroffen. Falsche oder übersehene Diagnosen können zu langwierigen Problemen führen, die oft unterschätzt werden. Meistens werden Muskelverletzungen vernachlässigt – „das heilt auch von alleine“ –, weil eine klare Therapieanweisung fehlt.

Arbeitet und funktioniert die Skelettmuskulatur nicht richtig, kommt es durch Schonhaltung zu weiterführenden Problemen des gesamten Haltungsapparates. Die Muskulatur ist verantwortlich für zahlreiche Beschwerden und Erkrankungen, die aber auch therapeutisch beeinflussbar sind. Eine fehlende und klar strukturierte Klassifikation der Muskelverletzungen ist eine der Ursachen für diese Unsicherheit bei der Muskeltherapie.

Neue Einteilung der Muskelverletzungen nach Dr. Müller-Wohlfahrt

Typ 1a: schmerzhafte Muskelverhärtung aufgrund von Ermüdung

Ursachen: Verhärtung durch Überlastung, Ermüdung.
Symptome: ziehender bis stechender Schmerz, zunehmendes Spannungsgefühl.

Therapie: Sofortmaßnahme: detonisierende Massage, lockere Bewegung im Wasser, Salbenverband.

1. Tag: Wärme/Elektrotherapie, Massage, leichtes Lauftraining.

Ab dem 2.Tag wieder normale Belastung.

Typ 1b: schmerzhafte Muskelverhärtung Aufgrund neurogener Störungen

Ursachen: neurogene Muskelverhärtung infolge struktureller oder funktioneller Störung im Bereich der Lendenwirbelsäule oder Iliosakralgelenke.
Symptome: ziehender bis stechender Schmerz, zunehmendes Spannungsgefühl; „der Muskel hat zugemacht“.

Therapie: Sofortmaßnahme: Eiswasserabreibung, Salbenverband.

1. Tag: Eiswasserabreibung, klass. Massage der angrenzenden Muskulatur, lockere Bewegung im Wasser, leichtes Lauftraining.
2. Tag: Steigerung der Belastung unter Beibehaltung der physikalischen Therapie.
3. Tag: Stretching, Gymnastik, Wärme/Elektrotherapie, Regenerationsmassage des umgebenden Gewebes, Steigerung der Belastung.
Ab dem 4. Tag wieder normale Belastung.

Typ 2: sog. Muskelzerrung:

Ursachen: neuromuskuläre Tonusregulationsstörung.
Symptome: Ziehen, zunehmendes Spannungsgefühl, dann krampfartiger Schmerz.

Therapie: Sofortmaßnahme: Salbenverband.

1. Tag: Eiswasserabreibung, klass. Massage der gesamten Bewegungskette unter Aussperrung der Ver letzungsstelle, angepasstes Bewegungstraining (Lauf- oder Ergometertraining), lockere Bewegung im Wasser.
2. Tag: Steigerung der Belastung unter Beibehaltung der physikalischen Therapie.
3. Tag: Stretching, Gymnastik, Wärme/Elektrotherapie, Regenerationsmassage des umgebenden Gewebes, Steigerung der Belastung.
Ab dem 4. Tag: Wiederaufnahme der normalen Belastung, weiterführende physiotherapeutische Behandlung bis zu einer Woche, Beginn mit propriozeptivem Training.

Typ 3a: Muskelfaserriss

Ursachen: Längsdehnung bei aktiver Kontraktion oder Hypertonus über die Elastizitätsgrenze hinaus mit struktureller Läsion mechanisch und/oder neurogen, möglich auch nach nicht ausreichend therapierter Zerrung oder Muskelverhärtung.

Symptome: stichartiger, spitzer Schmerz.

Therapie: Sofortmaßnahme: PECH (Pause, Eis, Kompression, Hochlagern).

Phase 1 (1.–3. Tag): Elektrotherapie, Lymphdrainage, klass. Massage, um reflektorische Verspannungen zu lösen, Krankengymnastik (PNF).
Phase 2 (4.–5. Tag): Elektrotherapie, Lymphdrainage, klass. Massage der gesamten Bewegungskette unter Aus sparung der Verletzungsstelle, Stretching, ab dem 5. Tag leichte Querfriktionen des Verletzungszentrums, leichte Trainingstherapie im geschlossenen System.
Phase 3 (6.–10. Tag): Trainingstherapie mit leichtem Bewegungstraining. Ab dem 10. Tag Steigerung der Trainingsbelastung.

Typ 3b: Muskelbündelriss

Ursachen: Längsdehnung bei aktiver Kontraktion oder Hypertonus über die Elastizitätsgrenze hinaus mit struktureller Läsion mechanisch und/oder neurogen, möglich auch nach nicht ausreichend therapierter Zerrung oder Muskelverhärtung.
Symptome: messerstichartiger spitzer bis dumpfer Schmerz, oft spürbares Reißen.

Therapie: Sofortmaßnahme: PECH (Pause, Eis, Kompression, Hochlagern).

Nach einer Woche: Lymphdrainage, passive Mobilisation.
Nach zwei Wochen: Bewegung mit eigenem Körpergewicht, vorsichtige passive Dehnung, PNF.
Nach drei Wochen: leichtes Fahrradfahren und Aquajogging, klass. Massage der gesamten Bewegungskette unter Aussparung der Verletzungsstelle.
Nach vier Wochen: Aquajogging, Bergangehen, Laufschulung und propriozeptives Training.
Nach fünf Wochen: Lauftraining.
Nach sechs Wochen: schrittweiser sportartspezifischer Trainingsaufbau.

Typ 4: Muskelriss/sehniger Muskelausriss

Ursachen: Längsdehnung über die Elastizitätsgrenze hinaus mit struktureller Läsion mechanisch und/oder neurogen, möglich auch nach nicht ausreichend therapierter Zerrung, Muskelverhärtung oder Muskel faser-/bündelriss. Meist sehniger Ausriss.
Symptome: schlagähnlicher dumpfer Schmerz.
Therapie: Operation.

Fazit

Besonders zu beachten ist, dass alle Behandlungen und Belastungen schmerzfrei durchgeführt werden müssen. In dem beschriebenen Schema sind nur die physiotherapeutischen Behandlungen aufgeführt, sämtliche muskulären Probleme sollten immer unter medizinischer Kontrolle versorgt werden.

Autor: Uwe Veronik

Dieser Artikel stammt aus dem Archiv der ehemaligen Seite medicalsportsnetwork.de. Er wurde mithilfe der Wayback Machine (archive.org) rekonstruiert um weiterhin zur Verfügung zu stehen.