Moderne sportmedizinische Untersuchung – Sicherheit durch TÜV-Plakette

Bewegung und Sport haben sich bei vielen Krankheitsbildern als ein ernst zu nehmendes, die Medikation ergänzendes und teilweise überlegenes Therapeutikum etabliert. Dabei wird es immer wichtiger zu wissen, wo die gesundheitlichen Stärken und Schwächen liegen, damit man gezielt den richtigen Sport in der richtigen „Dosierung“ empfehlen kann.

Es stellt sich somit nicht so sehr die Frage, ob man gesund genug ist zum Sporttreiben, sondern es geht darum herauszufinden, welche Sportart in welcher Dosierung ausgeübt werden soll. Die Angst, keinen Sport mehr treiben zu dürfen, gehört der Vergangenheit an und betrifft lediglich akute Erkrankungen und ist somit vorüber gehender Natur. Denn sich nicht körperlich zu betätigen, tritt eine Teufelsspirale los, wo Schonung zu Dekonditionierung und diese zu weiterer Leistungseinbuße führt, welche Symptome verstärkt und oft auch die Prognose verschlechtert, sodass dies keine Option mehr darstellt.

Wandel der sportmedizinischen Untersuchung

Die therapeutischen Möglichkeiten haben sich in allen Fachdisziplinen derart verbessert und das Wissen um den Nutzen von Bewegung und Sport so sehr verfestigt, dass es in der modernen sportmedi zinischen Untersuchung nicht mehr darum geht, vermeintlich ungeeignete Sportler herauszufischen und den Sport aus medizinischer Sicht zu verbieten. Vielmehr geht es hauptsächlich darum heraus zufinden, ob gesundheitliche Schwächen vorliegen, die der Sportler kennen sollte oder chronische Erkrankungen vorhanden sind, die behandelt bzw. korrigiert gehören. Denn Gefahr geht nicht so sehr von den bekannten und gut therapierten, sondern von den beim Sporttreibenden unbekannten Erkrankungen aus.

In Abhängigkeit von den Befunden wird dann besprochen, welcher Sport in welchem Umfang und welcher Intensität der richtige ist. Damit eine „Stempeluntersuchung“ diesem Anspruch gerecht werden kann, darf es aber nicht bei der Anamnese und einer klinischen Untersuchung bleiben. Bereits seit den 80er-Jahren machen es uns unsere italienischen Nachbarn vor und haben es sehr eindrucksvoll geschafft, durch eine verpflichtende sportmedizinische Untersuchung für jeden Sportler, der an Wettkämpfen teilnehmen möchte, die im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten aufgetretenen Todesfälle (Abb. 1; durchgezogene Linie „screened athletes“) auf ein Niveau zu senken, das niedriger ist als das der übrigen Bevölkerung (gestrichelte Linie „unscreened nonathletes“).

Das Geheimnis besteht darin, dass jeder, der wettkampfmäßig Sport treiben möchte, sich verpflichtend von speziell ausgebildeten Sportmedizinern untersuchen lassen muss und diese immer auch ein Ruhe-EKG schreiben. Die Ergebnisse sind derart überzeugend, dass auch die Europäische Gesellschaft für Kardiologie die Durchführung eines Ruhe-EKGs bei der Sporttauglichkeitsuntersuchung empfiehlt. So wichtig es auch ist, ein EKG in Ruhe zu schreiben, so reicht dies jedoch nicht aus, um eine Aussage über die Leistung des Herz-Kreislaufs unter Belastung zu ermöglichen.

Da Sportler in Freizeit, Training und Wettkampf an ihre Grenzen gehen, geht es darum, diese Beanspruchung mittels Belastungs-EKG zu simulieren, um Hinweise z.B. auf Ischämien oder Rhythmusstörungen zu erhalten. Somit sollte es das „TÜV-Pickerl“ (Begutachtungsplakette für PKW in Österreich, Anm. d. Red.) nur dann geben, wenn auch bei „laufendem Motor“ alles unauffällig war. Denn der Sportinteressierte möchte Sicherheit – die kann man ihm nur nach Durchführung eines Belastungs-EKGs geben. Oder kennen Sie jemanden, der einem Gebrauchtwagen ohne Probefahrt vertraut?

Bestandteile der sportmedizinischen Untersuchung

Eine sportmedizinische Untersuchung sollte zumindest aus folgenden Maßnahmen bestehen und kann je nach Befunden erweitert werden:

  • Gesundheits- und Sportanamnese
  • Körperliche Untersuchung
  • Bestimmung des Body-Mass-Index
  • Sehtest
  • Muskelfunktionstest
  • Ruhe-EKG
  • Spirometrie (Lungenfunktionstest in Ruhe)
  • Belastungs-EKG (bestehend aus Fahrrad- Ergometrie; Abb. 2), Laufband-Ergometrie (Abb. 3), Ruder-Ergometrie (Abb. 4) oder Handkurbelergometrie
  • Gesundheits- und Trainingsberatungsgespräch

Wenn am Ende der Untersuchung alles unauffällig war, hat man alle Voraussetzungen für das „TÜV-Pickerl“ erfüllt. Darüber hinaus profitieren Ambitionierte von einer Laktatdiagnostik (Abb. 5: Ermittlung der aeroben und anaeroben Schwelle und somit des Trainingszustands und der Leistungsfähigkeit) und ggf. von einer Ergospirometrie. Mittels letzterer können zusätzlich die maximale Sauerstoffaufnahme bestimmt und weitere Lungenfunktionsmarker unter Belastung ermittelt werden, was für die Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung bei zahlreichen Ausdauersportarten von übergeordneter Bedeutung ist. Des Weiteren kann die Ergospirometrie bei Belastungsdyspnoe unterschiedlichster Genese (z.B. kardial, pulmonal, u.a.) wegweisend sein. Oftmals ergänzend werden folgende Untersuchungen durchgeführt:

  • Herzultraschalluntersuchung (Echokardiografie; Abb. 6)
  • Langzeit-Blutdruckmessung
  • Langzeit-EKG
  • Sportspezifische Ernährungsberatung
  • Feldtests (sportartspezifische Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung)

Es ist an der Zeit, sich die Frage zu stellen, warum im Allgemeinen so wenig Wert auf eine gründliche sportmedizinische Untersuchung gelegt wird. Unsere Gesundheit ist unser höchstes Gut und der, der Sport treibt, möchte seinen Teil bei der Prävention von Zivilisations-, aber auch vielen anderen Krankheiten leisten. Warum wir völlig ohne „TÜV-Pickerl“ unterwegs sind bzw. dieses Pickerl allzu großzügig vergeben wird, ohne einen einheitlichen und qualitativ hochwertigen Standard etabliert zu haben, bleibt unklar. Wir alle achten weit mehr auf unsere PKW als auf unsere Körper.

Selbst ein Neuwagen, frisch vom Band, benötigt ein „TÜVPickerl“ und wird auf „Herz und Nieren“ getestet. Interessanterweise ist die Gültigkeit solch eines Pickerls umso kürzer, je älter das Fahrzeug ist. Da kommt mir die Frage, weshalb ich so selten ältere Sportbegeisterte im Institut zur Untersuchung sehe. Eines ist sicher: Wir treiben ein gefährliches Spiel, was man uns im Straßenverkehr nicht erlauben würde. Wenn wir nochmals den PKW zum Vergleich heranziehen, so fällt auf, dass wir unsere PKW nicht nur dem TÜV unterziehen, sondern darüber hinaus alle paar tausend Kilometer die empfohlenen Inspektionen durchführen lassen, die teilweise mit beeindruckenden Kosten verbunden sind, von denen wir aber überzeugt sind, dass sie den Marktwert des PKW erhalten und unserer Sicherheit dienen. Und das bei einem Gegenstand, für den es exzellente Ersatzteile mir aus diesem Bereich nicht bekannt.

Auch fehlen hier Kosten-Nutzen-Analysen. Insgesamt also eine dünne Evidenzlage. Im Bereich Primär- und Sekundärprävention hingegen gibt es eine große Zahl hochwertiger Studien, die den Nutzen eines konsequenten Screenings und vor allem den der Sportintervention belegen. Umgesetzt wird dies alles nur sehr zögerlich bis gar nicht.

Zeitgemäß testen

Es ist offensichtlich, dass Stempeluntersuchungen, die weder Ruhe- noch Belastungs- EKG beinhalten, nicht mehr zeitgemäß sind. Niemand von uns würde ungetestet ein Auto kaufen – auch keinen Neuwagen. Bei unserem wichtigsten Kapital, unserem Körper, sehen wir das entspannter. „Das wird schon passen“, wird einfach postuliert und nicht hinterfragt. Ein sehr mutiges Postulat, handelt es sich bei uns doch um alternde Körper, für die es wie erwähnt oft nur unbefriedigende und dann teilweise auch nur sehr begrenzt haltbare Ersatzteile gibt. Selbstverständlich muss man einen Gebrauchtwagen vor dem Kauf einmal ausgefahren haben, damit man sichergehen kann, dass er den alltäglichen Belastungen standhalten wird.

Warum gilt das nicht für sportlich Aktive? Ein Belastungs- EKG kann belastungsinduzierte Rhythmusstörungen dokumentieren, aber auch einen bisher unerkannten arteriellen Hypertonus aufdecken. Mittels anschließender Diagnostik und ggf. Therapie wird es möglich sein, dass der Sportler auch weiterhin seinen Sport ausüben kann. Dank der ermittelten maximalen Herzfrequenz ist im gewissen Maße eine Trainingssteuerung möglich. Alles Gründe, ein Belastungs-EKG durchzuführen und sich nicht davon abschrecken zu lassen, dass die Vortestwahrscheinlichkeit zu gering sei. Zum einen bezieht sich die Vortestwahrscheinlichkeit in Studien meist nur auf die koronare Herzkrankheit und zudem stammen viele dieser Studien aus Ländern wie den USA, in denen bekanntlich medizinische Untersuchungen ein Vielfaches von den bei uns üblichen Tarifen kosten. Bedenkt man, dass die Haupttodesursache bei Sporttreibenden über 35 Jahren die koronare Herzkrankheit ist, so wird klar, wie sinnvoll es ist, gerade diese Gruppe mittels maximaler Ergometrie auszubelasten.

Denn wenn mit Freunden Sport getrieben wird, geht man oft bis an seine Grenzen, ohne jemals zuvor getestet zu haben, ob man dem noch gewachsen ist. Da ist es verantwortlicher, aber auch beruhigend zu wissen, dass bei der letzten maximalen Ergometrie alles in Ordnung war. Dabei heißt maximale Ergometrie, dass es einen objektiven Abbruchgrund geben muss. Die oft befolgte Faustregel 220 – Lebensalter ist völlig ungeeignet, um eine Ergometrie zu beenden. Bei einer Standardabweichung von über ±15 Schlägen/ min ist diese viel zu ungenau, was oft zu einem viel zu frühen Abbruch führt. Mehr als eine grobe Orientierung stellt diese Formel nicht dar. Wenn prinzipielle Zweifel über eine Ausbelastung bestehen, so ist die Bestimmung des Laktats oder eine Ergospirometrie hilfreich, bei der eindeutig festgestellt wird, ob aufgrund von Erschöpfung oder aber anderer Gründe abgebrochen wurde.

Da Myokardischämien meist erst im obersten Herzfrequenzbereich auftreten, kann die Bedeutung einer maximalen Ausbelastung gar nicht genug betont werden. Meist finden sich erst dann etwaige Rhythmusstörungen oder Hinweise auf Myokardischämien. Auch kann so das Blutdruckverhalten gut dokumentiert werden und über das Vorliegen einer arteriellen Hypertonie bzw. über eine adäquate Einstellung des Hypertonus eine valide Aussage getroffen werden. Dies ist segensbringend, da ein gut eingestellter Blutdruck mit einer normalen Lebensqualität und Lebenserwartung einhergeht, ein schlecht oder nicht eingestellter Blutdruck ein beträchtliches Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, schlechte Lebensqualität und verkürztes Leben darstellt.

Fazit

Wir sollten gemeinsam den sportlich Aktiven mehr Aufmerksamkeit schenken und diese nach modernen Standards untersuchen und betreuen – so wie wir dies als Ärzte in anderen Bereichen auch tun. Viele Institute – auch unseres – haben mittlerweile die Türen auch für Hobby- und Gesundheitssportler geöffnet.

Autor: Prof. Dr. Dr. me Josef Niebauer

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